Demenzbegleitung: Zertifizierte Leistungen gemäß §§ 43b, 53b SGB XI mit Schwerpunkt Demenzbegleitung zu Hause und in Pflegeheimen in 76829 Landau und Umgebung.

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Alles neu macht der Mai

»Das ist doch gar nicht wahr, das war doch ganz anders«, sagt Klaus zu seiner Frau und ist schon etwas genervt von den ständigen Änderungen in ihren Berichten über gemeinsame Erlebnisse. Und mal ehrlich: wer kennt solche Reaktionen auf Erzählungen von Menschen mit Demenz nicht? Klar, Klaus weiß, dass seine Frau Demenz hat, und er weiß eigentlich irgendwie, dass ihre Erinnerungen anders sein können als seine. Aber Klaus ist trotzdem der felsenfesten Überzeugung, dass es »da draußen« eine Wahrheit gibt, und die Erinnerungen seiner Frau nunmal falsch sind, denn schließlich weiß er ganz genau, wie alles wirklich war, denn er kann sich ganz genau erinnern. Und da Klaus seiner Frau wirklich helfen will, ist er ständig bemüht, ihren falschen Erinnerungen seine richtigen Erinnerungen entgegenzusetzen.

Im professionellen Bereich der Pflege und Sozialarbeit wird das auch Biografiearbeit genannt und ist weniger von genervten Untertönen begleitet, weil die Biografiearbeiter und der Mensch mit Demenz emotional anders verbunden sind. Und ob der Mensch mit Demenz sich nun korrekt erinnert oder nicht, bleibt ohne tiefgreifende Auswirkungen auf das Leben des Biografiearbeiters.

Klaus jedoch steht vor dem Scherbenhaufen eines gemeinsamen Lebens. Seine Frau ist nicht mehr dieselbe und das macht Klaus ziemlich zu schaffen. Er weiß weder ihr noch sich zu helfen.

Was ist Realität?

Bereits eine Übereinkunft über das Wesen der Realität zwischen den Diszplinen der Wissenschaft scheint unmöglich. Allen gemeinsam ist die Tautologie, dass Realität das sei, was real ist. Im Einzelnen jedoch wird mal dies und mal jenes behauptet, aber im Grunde wissen alle: genaues weiß man nicht, weshalb hin und her vermutet wird, während man diese Vermutungen mit allerlei Indizien stützen will und als Realitätsdefinitionen ansieht, denen wiederum von anderen widersprochen wird.

Das ist nun gar nicht so schlimm, wie es sich anhört, da exakt dieser Vorgang die Grundlage des wissenschaftlichen Diskurses ist. Es ist ein bisschen wie am Stammtisch, nur mit viel mehr Kaffee und Begriffen, die für nicht Eingeweihte ähnlich nach Kauderwelsch klingen, wie das Abseits für die wenigen Leute auf diesem Globus, die von Fußball keine Ahnung haben. Würden Stammtischsportler jedoch realisieren(sic!), dass es hier um etwas viel, viel Spannenderes als Fußball geht, würden wissenschaftliche Dispute ganze Arenen mit grölenden Fans und die Feuilletons  bekannter Gazetten füllen.

Wissenschaftler sind ohnehin ein ziemlich kreatives Völkchen: Sie wissen, dass ihnen wirkliches, über jeden Zweifel erhabenes Wissen fehlt, denn der Zweifel ist die Triebfeder der Wissenschaft. Sie wissen: die Gewissheit ist der Tod der Toleranz. Und allein aus diesem Grunde ist ihnen der spielerische Umgang mit der Realität zu eigen, auch wenn es manchmal nicht nach einem Spiel aussieht, vor allem dann, wenn es um einen Haufen Fördermittel geht. Und daran kann sich jeder von sich und was auch immer vollkommen Überzeugte ein Beispiel nehmen. Es existiert einfach keine Gewissheit, allenfalls verschiedene und sich – je nach Ausgangspunkt oder Ziel der eigenen Überlegungen – oft widersprechende Ansichten über die Realität: »Das ist doch gar nicht wahr, das war doch ganz anders«, ist eben nur halb wahr, halb real. Auf der anderen Seite gibt es nämlich auch eine andere Wirklichkeit. Wir dürfen nie vergessen: Eine Ersatzrealität ist kein Ersatz für Realität; sie ist ebenso real.

Muster im Gewebe der Welt

In der Psychologie gibt es den Begriff der Re-Definition, wobei dieser Begriff nicht ganz richtig ist, wie wir später sehen werden. Der Begriff bezeichnet die Fähigkeit zur Umstrukturierung und Neudefinition von bekannten Formen, Gegenständen oder Begriffen bzw. Mustern im Allgemeinen. Diese Fähigkeit machen sich vor allem Künstler zunutze, um aus bekannten Mustern Neues zu erschaffen. Man denke hier nur an die eindrucksvollen Bilder von Maurits Cornelis Escher. Auch in der Kunstherapie findet die Ausbildung und Stärkung dieser Fähigkeit Anwendung.

In Bezug auf kognitive Einschränkungen wie bei demenziellen Erkrankungen kann davon ausgegangen werden, dass die Veränderung der Musterwahrnehmung als – oft unerwünschte – Begleiterscheinung auftreten. Doch statt nun diese Veränderungen der Musterwahrnehmung zu unterdrücken: »Nein, Mama, das war doch ganz anders.«, oder: »Nein, Papa, das ist kein Pferd, das ist doch eindeutig eine Nähmaschine.«, um die durch Demenz eingeschränkte Person auf den richtigen Weg zu führen in der leisen Hoffnung, sie bleibt der normalen Welt so lange wie möglich als die bereits bekannte Person erhalten, kann man sich und der betroffenen Person eben diesen Effekt der Redefinition zunutze machen.

Kinder verfügen über eine ähnliche Fähigkeit, weil sie im jungen Alter noch nicht den üblichen Beschreibungen der Welt der Erwachsenen unterliegen. Kinder sehen die Welt wirklich anders und lernen erst später, dass ein Baum eben ein Baum ist und kein geheimnisvolles Etwas, das auf wundersame Weise zum Spielen einlädt und die Möglichkeit schafft, die Welt aus einer anderen Perspektive wahrzunehmen.

Danach ist der oben genannte Begriff Redefinition bei Kindern nicht anwendbar, weil es sich hier um etwas handelt, was im Zen-Buddhismus Anfängergeist genannt wird, und was wir hier mit Prä-Definition bezeichnen können, während der ursprüngliche Begriff in Bezug auf nachträgliche Änderungen der Definitionen in Post-Definition umwandelt werden kann.

Demzufolge können wir hier von einer Evolution der Definitionsfähigkeit mit zwei Definitionsphasen sprechen, die beide gekennzeichnet sind durch: die Fähigkeit zur flexiblen oder fluiden Definition von Mustern. Der Unterschied liegt lediglich im Zeitraum vor und nach dem Erlernen der jeweiligen Beschreibungen der Welt. Im Ergebnis können wir also in beiden Definitionsphasen von fluider Definition sprechen. Diese Fähigkeit zur fluiden Definition führt konsequenterweise zu einer fluiden Wahrnehmung der Welt auf der Grundlage von Mustern, die nach Belieben von externen und internen Einflüssen geändert werden können.

Und nun wird es spannend, denn wir betreten einen Bereich, der seit Jahrtausenden von spirituellen Geistesschulen erforscht wird. Und keine Angst, Gott spielt hierbei keine (große) Rolle …

Eine andere Wirklichkeit

Wirklichkeit ist eigentlich nur ein anderer Begriff für Realität. Beide Begriffe meinen, dass etwas wahrgenommenes für wirklich, real bzw. wahr gehalten wird. Man kann also auch von Für-Wahr-Nehmung sprechen oder von Für-Wahr-Haltung. Wahrheit gehört demnach in diese Reihe von Begriffen, die etwas entweder undefinierbares oder multipel definierbares ausdrücken. Und hier, und nur hier, streifen wir das Phänomen des Gottesbegriffes, gehen aber hurtig weiter, bevor wir uns heftig streiten.

Alle Geistesschulen gehen von den einfachen Annahmen aus, dass jede Wahrnehmung ein subjektiver Vorgang ist, anderen Wahrnehmungen widersprechen kann und sich mehr oder weniger steuern lässt. Jeder Geistesschule liegen erkenntnistheoretische Überlegungen zugrunde, die anhand von Beobachtungen für wahr bzw. unwahr gehalten werden, also verifiziert oder falsifiziert werden können. Für wahr bzw. wahrscheinlich gehalten werden Aussagen über die Wirklichkeit, die auf wiederholbaren Beobachtungen beruhen, während Aussagen, die auf nicht wiederholbaren Beobachtungen beruhen, als unwahr bzw. unwahrscheinlich bezeichnet werden. Es geht also nicht um Wahrheit oder Unwahrheit, sondern genauer um die Häufigkeit bzw. die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von nicht singulären Beobachtungen. Nicht singulär deshalb, weil nur so eine Beobachtung durch andere Beobachter bestätigt oder widerlegt werden kann. Klingt alles irgendwie nach Wissenschaft, oder nicht?

Die heutige Wissenschaft beruht auf der Annahme, dass jede Aussage über die Wirklichkeit falsifizierbar sein muss. Das klingt für nicht wissenschaftlich denkende Menschen ziemlich albern, denn wie soll etwas wirklich wahr sein, wenn es falsifizierbar sein muss? Warum ist das so?

Bringen wir noch einmal Gott ins Spiel: Die Behauptung, »Gott existiert«, ist nicht widerlegbar. Das halten viele für den ultimativen Beweis, dass Gott tatsächlich existiert. Und in der Tat war bisher keine Wissenschaft in der Lage, die Nichtexistenz von Gott zu beweisen. Wie beweist man aber nun die Nichtexistenz von etwas, zum Beispiel Gott? Ein Beweis ist eine Bestätigung von ewas oder für eine Aussage, also eine Verifizierung von etwas und keine Widerlegung von nichts. Nichts ist einfach nichts, nicht vorhanden, weshalb man es auch nicht widerlegen kann. Und da sich die Wissenschaften um Erklärungen für das, was ist, bemühen, und nicht um Erklärungen für nichts, ist ihnen das Nichts in der Regel egal. Im Übrigen ist die Aquirierung von Fördermitteln für nichts nichts, was Wissenschaftler beherrschen (wollen), sonst würden sie in der Werbebranche arbeiten.

Dieses Dilemma haben diese findigen Damen und Herren sehr schnell verstanden und deshalb das Prinzip der Widerlegung zur Grundlage ihres Denkens gemacht. Denn: Nur das Existierende kann erkannt, untersucht, verstanden und erklärt werden. Das Verständnis äußert sich in Erklärungen und diese allein können widerlegt werden. Es geht der Wissenschaft also nicht um die Widerlegung Gottes, sondern um die Möglichkeit, Erklärungen für die Wirklichkeit zu widerlegen und nicht etwa darum, die Wirklichkeit selbst zu widerlegen. Wenn also eine Erklärung der Wirklichkeit nicht widerlegbar ist, kann sie nicht wissenschaftlich sein, sondern ist dem grunde nach unwissenschaftlich. Das ist ok; die meisten Aussagen über die Wirklichkeit sind unwissenschaftlich, zum Beispiel: Ich bin der heldenhafteste Held aller heldenhaften Helden im heldenhaftesten Universum aller heldenhaften Universen. Unwiderlegbar und deshalb unwissenschaftlich. Vielleicht sogar wahr, aber die Wahrscheinlichkeit ist eher gering bis Null. Mit so einem Unsinn beschäftigen sich Wissenschaftler selten.

Und wie es heldenhafte Wissenschaftler so machen, experimentieren sie eine ziemliche Menge herum. Da wird gefrickelt und gebastelt, überlegt und die Versuchsanordnungen immer wieder neu ausgerichtet: alles mit dem Ziel der Widerlegung der Aussagen anderer Wissenschaftler. Vielleicht hat das alles nur mit dem gegenseitigen Neid auf Fördermittel zu tun, hat aber zur interessanten Folge, dass sich selten jemand lange mit unsinnigen Behauptungen behaupten kann … in der Wissenschaft. Anders schaut es in der Politik aus.

In den Geistesschulen funktioniert das ebenso. Auch hier wird viel herumexperimentiert mit viel Knall und Peng. Dabei werden aber nicht, wie man missverstehen kann, Geister beschworen oder geschult, sondern der menschliche Geist, das Bewusstsein wird geschult. Worum es dabei in der Regel nicht geht, sind Erklärungen, was das Bewusstsein ist oder wo es her kommt. Das sind Spekulationen, die am Kern der Sache vorbeigehen. Es geht mehr darum, wie das Ganze funktioniert. Was kann man damit machen? Ganz kurz noch mal zu Gott: Ist es für uns nicht auch völlig uninteressant, wie Gott entstanden sein könnte, sondern eher, was er (für uns) machen kann? Alle Wünsche an die Götter haben selten zum Inhalt: »Oh, Du Größter Großer, erkläre uns, woher Du kommst!«, sondern klingen eher profan wie: »Hey, kannst Du nicht irgendwie dafür sorgen, dass ich endlich mal den Jackpot knacke?«

Ähnlich pragmatisch gehen Geistesschulen vor.