Er: »Darf ich morgen ein Bierchen trinken gehen?«
Sie: »Das kannst Du aber gleich vergessen.«
Hm, darf man wirklich Witze über Demenz machen? Tja, diese Frage musst Du schon selbst – für Dich – beantworten. Da ich diese Frage gleich am Anfang stelle, kannst Du auch gleich überlegen, ob sich die Lektüre eines Kleinen Demenzbegleiters lohnt, welcher mit einem Witz über Demenz beginnt.
Der obige Witz thematisiert ein von Menschen ohne Demenz für äußerst normal gehaltenes Verhalten gegenüber Menschen mit Demenz. Was ich meine, ist die Tatsache, dass die ersten Erscheinungen von Demenz für bloße Vergesslichkeit oder Schusseligkeit gehalten werden, der man scheinbar völlig zu Recht das Verlangen entgegensetzt, der andere solle sich doch bitte dies oder jenes merken (das kann doch nicht so schwer sein!).
Erst mit der klinischen Diagnose Demenz ändert sich die Einstellung der Angehörigen von Menschen mit Demenz … leider oft dahin, dass sie in eine andere Attitüde umschlägt, nämlich den Drang, den anderen als rohes (und auch ein bisschen dummes) Ei zu behandeln, was wiederum, nicht zu Unrecht, den Argwohn des Adressaten dieser Eierei weckt. Denn nur, weil Menschen mit Demenz (auch) ziemlich (oft) vergesslich sind, bedeutet das nicht, dass man sie deshalb zum Beispiel bevormunden oder eben als ein bisschen oder auch ein bisschen mehr dumm behandeln muss.
Und nein, selbstverständlich würdest Du einen Menschen mit Demenz nicht als ein bisschen dumm bezeichnen, das verbietet die Etikette. Aber so ein kleines Augenverdrehen, wenn Du eine kleine Geschichte zum hundertsten Male hörst, oder eine kleine Aggression nebenbei, wenn Du wieder mal etwas zum hundertsten Male erzählen musst, weil der andere es einfach nicht rafft, das muss schon drin sein, wir sind schließlich alle nur Menschen. Oder?
Ganz wichtig ist, mit dem Menschen mit Demenz nicht darüber zu reden, also nicht über seinen Zustand, über Deine Hilfslosigkeit und vor allem: mache keine Witze über Demenz! Das gehört sich nicht! Die Gefahr des Verständnisses ist, wenn naturgemäß auch nur kurzzeitig, ziemlich groß. Stell Dir bloß mal vor, der andere versteht den Witz und lacht auch noch darüber, weil er beispielsweise genau weiß, dass Du ihn damit nicht lächerlich machen willst, sondern einfach nur einen kleinen Witz gemacht hast über seine Vergesslichkeit. Menschen mit Demenz müssen ihren Humor offiziell abmelden. Oder hast Du schon einmal irgendwo gelesen, dass Menschen mit der Diagnose Demenz lachen? Kein Ratgeber schreibt darüber. Dass Humor manches erträglicher macht, gilt ausschließlich für Menschen, denen nichts Schlimmes widerfährt.
Ich glaube, dass eine eher lockere Herangehensweise im richtigen Moment mehr bringt, als ein krampfhaftes Vermeiden von Dingen, die Du für unpassend hältst, weil Du unsicher bist, was jetzt die richtige Ansprache wäre. Es gibt keine richtige Ansprache gegenüber Menschen mit Demenz. Sprich so, wie Du immer sprichst, dann musst Du Dich nicht verstellen. Und so, wie es im angeblich normalen Leben immer wieder Missverständnisse gibt, wirst Du sie auch nicht vermeiden können, wenn Du mit Menschen mit Demenz sprichst. Wenn Du möchtest, dass der andere nicht das Gefühl hat, Du spieltest ein komisches Spiel, dann bleib wie Du bist … mit allen Ecken und Kanten. Ok, wahrscheinlich wirst Du genauso wenig bleiben können, wie Du bist, wie der andere, da euch die Demenz verändern wird, jeden auf eine individuelle Weise. Aber ihr müsst keine schlechten Schauspiele abliefern. Wenn Du möchtest, dass der andere einigermaßen bleiben kann, wie er (jeweils) ist, dann nimm Missverständnisse ebenso in Kauf, wie im scheinbar normalen Leben. Das macht allen Beteiligten weniger Stress und zeigt eines: ihr seid Menschen. Ganz einfach. Und vielleicht ist ein kleiner, lieb gemeinter Witz im falschen Moment besser, als dem anderen das Gefühl zu geben, sein Leben lohne kein Lachen mehr.
Konventionen sind etwas für Leute, die sich Konventionen auch leisten können, weil sie glauben, damit etwas zu erreichen, was sie bisher nicht haben, oder etwas zu behalten, was sie nicht gern verlieren wollen. Gegenüber einem Menschen mit Demenz ist es jedoch ziemlich albern … oder vergeblich, wenn Dir dieser Begriff lieber ist, darauf zu hoffen, er würde sich die von Dir favorisierten Konventionen merken und ihnen so folgen, dass Du ein ruhiges Gewissen hast.
Da fällt mir eine Werbung ein (die gab es wirklich): Vergesslichkeit? Da gibt’s doch was von Ratiopharm! …
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